Karl Marx - Einleitung zur Kritik der Politischen Oekonomie

2. Das allgemeine Verhältnis der Produktion zu Distribution, Austausch, Konsumtion

Ehe in eine weitere Analyse der Produktion eingegangen wird, ist es nötig, die verschiednen Rubriken, die die Ökonomen neben sie stellen, ins Auge zu fassen.

Die flach auf der Hand liegende Vorstellung: In der Produktion eignen (bringen hervor, gestalten) die Gesellschaftsglieder die Naturprodukte menschlichen Bedürfnissen an; die Distribution bestimmt das Verhältnis, worin der einzelne teilnimmt an diesen Produkten; der Austausch führt ihm die besondren Produkte zu, in die er das ihm durch die Distribution zugefallne Quatum umsetzen will; endlich in der Konsumtion werden die Produkte <In der Handschrift: Produktion> Gegenstände des Genusses, der individuellen Aneignung. Die Produktion bringt die den Bedürfnissen entsprechenden Gegenstände hervor; die Distribution verteilt sie nach gesellschaftlichen Gesetzen; der Austausch verteilt wieder das schon Verteilte nach dem einzelnen Bedürfnis; endlich in der Konsumtion tritt das Produkt aus dieser gesellschaftlichen Bewegung heraus, es wird direkt Gegenstand und Diener des einzelnen Bedürfnisses und befriedigt es im Genuß. Produktion erscheint so als der Ausgangspunkt, Konsumtion als der Endpunkt, Distribution und Aus- <621> tausch als die Mitte, die selbst wieder doppelt ist, indem die Distribution als das von der Gesellschaft, der Austausch als das als das von den Individuen ausgehende Moment bestimmt ist. In der Produktion objektiviert sich die Person, in der Konsumtion <In der Handschrift: Person> subjektiviert sich die Sache; in der Distribution übernimmt die Gesellschaft in der Form allgemeiner, herrschender Bestimmungen die Vermittlung zwischen der Produktion und Konsumtion; in dem Austausch sind sie vermittelt durch die zufällige Bestimmtheit des Individuums.

Die Distribution bestimmt das Verhältnis (das Quantum), worin die Produkte an das Individuum fallen; der Austausch bestimmt die Produkte, worin das Individuum den ihm durch die Distribution zugewiesnen Anteil verlangt.

Produktion, Distribution, Austausch, Konsumtion bilden so einen regelrechten Schluß; Produktion die Allgemeinheit, Distribution und Austausch die Besonderheit, Konsumtion die Einzelheit, worin sich das Ganze zusammenschließt. Dies ist allerdings ein Zusammenhang, aber ein flacher. Die Produktion ist durch allgemeine Naturgesetze bestimmt; die Distribution durch gesellschaftlichen Zufall, und sie kann daher mehr oder weniger befördernd auf die Produktion wirken; der Austausch liegt zwischen beiden als formal gesellschaftliche Bewegung, und der schließende Akt der Konsumtion, der nicht nur als Endziel, sondern auch als Endzweck gefaßt wird, liegt eigentlich außerhalb der Ökonomie, außer soweit er wieder zurück wirkt auf den Ausgangspunkt und den ganzen Vorgang von neuem einleitet.

Die Gegner der politischen Ökonomen - seien es Gegner innerhalb oder außerhalb ihres Berings -, die ihnen barbarische Auseinanderreißung des Zusammengehörigen vorwerfen, stehn entweder mit ihnen auf demselben Boden oder unter ihnen. Nichts gewöhnlicher als der Vorwurf, die politischen Ökonomen faßten die Produktion zu ausschließlich als Selbstzweck ins Auge. Es komme ebensosehr auf die Distribution an. Diesem Vorwurf liegt grade die ökonomische Vorstellung zugrunde, daß die Distribution als selbständige, unabhängige Sphäre neben der Produktion haust. Oder die Momente würden nicht in ihrer Einheit gefaßt. Als wenn dies Auseinanderreißen nicht aus der Wirklichkeit in die Lehrbücher, sondern umgekehrt aus den Lehrbüchern in die Wirklichkeit gedrungen sei, und es sich hier um eine dialektische Ausgleichung von Begriffen handele, und nicht um die Auflösung realer Verhältnisse!

a) [Produktion und Konsumtion]

<622> Die Produktion ist unmittelbar auch Konsumtion. Doppelte Konsumtion, subjektive und objektive: das Individuum, das im Produzieren seine Fähigkeiten entwickelt, gibt sie auch aus, verzehrt sie im Akt der Produktion, ganz wie das natürliche Zeugen eine Konsumtion von Lebenskräften ist. Zweitens: Konsumtion der Produktionsmittel, die gebraucht und abgenutzt werden und zum Teil (wie z.B. bei der Feurung) in die allgemeinen Elemente wieder aufgelöst werden. Ebenso Konsumtion des Rohstoffs, der nicht in seiner natürlichen Gestalt und Beschaffenheit bleibt, die vielmehr aufgezehrt wird. Der Akt der Produktion selbst ist daher in allen seinen Momenten auch ein Akt der Konsumtion. Aber dies geben die Ökonomen zu. Die Produktion als unmittelbar identisch mit der Konsumtion, die Konsumtion als unmittelbar zusammenfallend mit der Produktion, nennen sie produktive Konsumtion. Diese Identität von Produktion und Konsumtion kommt hinaus auf Spinozas Satz: Determinatio est negatio <Bestimmung ist Verneinung>.

Aber diese Bestimmung der produktiven Konsumtion wird eben nur aufgestellt, um die mit der Produktion identische Konsumtion zu trennen von der eigentlichen Konsumtion, die vielmehr als vernichtender Gegensatz der Produktion gefaßt wird. Betrachten wir also die eigentliche Konsumtion.

Die Konsumtion ist unmittelbar auch Produktion, wie in der Natur die Konsumtion der Elemente und der chemischen Stoffe Produktion der Pflanze ist. Daß in der Nahrung z.B., einer Form der Konsumtion, der Mensch seinen eignen Leib produziert, ist klar. Es gilt dies aber von jeder andren Art der Konsumtion, die in einer oder der andren Art den Menschen nach einer Seite hin produziert. Konsumtive Produktion. Allein, sagt die Ökonomie, diese mit der Konsumtion identische Produktion ist eine zweite, aus der Vernichtung des ersten Produkts hervorgehende. In der ersten versachlichte sich der Produzent, in der zweiten personifiziert sich die von ihm geschaffne Sache. Also ist diese konsumtive Produktion - obgleich sie eine unmittelbare Einheit zwischen Produktion und Konsumtion ist - wesentlich verschieden von der eigentlichen Produktion. Die unmittelbare Einheit, worin die Produktion mit der Konsumtion und die Konsumtion mit der Produktion zusammenfällt, läßt ihre unmittelbare Zweiheit bestehn.

Die Produktion ist also unmittelbar Konsumtion, die Konsumtion ist unmittelbar Produktion. Jede ist unmittelbar ihr Gegenteil. Zugleich aber <623> findet eine vermittelnde Bewegung zwischen beiden statt. Die Produktion vermittelt die Konsumtion, deren Material sie schafft, der ohne sie der Gegenstand fehlte. Aber die Konsumtion vermittelt auch die Produktion, indem sie den Produkten erst das Subjekt schafft, für das sie Produkte sind. Das Produkt erhält erst den letzten finish <die letzte Vollendung> in der Konsumtion. Eine Eisenbahn, auf der nicht gefahren wird, die also nicht abgenutzt, nicht konsumiert wird, ist nur ein Eisenbahn dunamei <der Möglichkeit nach>, nicht der Wirklichkeit nach. Ohne Produktion keine Konsumtion; aber auch ohne Konsumtion keine Produktion, da die Produktion so zwecklos wäre. Die Konsumtion produziert die Produktion doppelt,

1. indem erst in der Konsumtion das Produkt wirkliches Produkt wird. Z.B. ein Kleid wird erst wirklich Kleid durch den Akt des Tragens; ein Haus, das nicht bewohnt wird, ist in fact kein wirkliches Haus; also als Produkt, im Unterschied von bloßem Naturgegenstand, bewährt sich, wird das Produkt erst in der Konsumtion. Die Konsumtion gibt, indem sie das Produkt auflöst, ihm erst den finishing stroke <letzten Schliff>; denn Produkt ist das Produkt <In der Handschrift: die Produktion> nicht als <In der Handschrift: nicht nur als> versachlichte Tätigkeit, sondern nur als Gegenstand für das tätige Subjekt;

2. indem die Konsumtion das Bedürfnis neuer Produktion schafft, also den idealen innerlich treibenden Grund der Produktion, der ihre Voraussetzung ist. Die Konsumtion schafft den Trieb der Produktion; sie schafft auch den Gegenstand, der als zweckbestimmend in der Produktion tätig ist. Wenn es klar ist, daß die Produktion den Gegenstand der Konsumtion äußerlich darbietet, so ist daher ebenso klar, daß die Konsumtion den Gegenstand der Produktion ideal setzt, als innerliches Bild, als Bedürfnis, als Trieb und als Zweck. Sie schafft die Gegenstände der Produktion in noch subjektiver Form. Ohne Bedürfnis keine Produktion. Aber die Konsumtion reproduziert das Bedürfnis.

Dem entspricht von seiten der Produktion, daß sie

1. der Konsumtion <In der Handschrift: Produktion> das Material den Gegenstand liefert. Eine Konsumtion ohne Gegenstand ist keine Konsumtion; also schafft nach dieser Seite, produziert die Produktion die Konsumtion.

2. Aber es ist nicht nur der Gegenstand, den die Produktion der Konsumtion schafft. Sie gibt auch der Konsumtion ihre Bestimmtheit, ihren Charakter, ihren finish. Ebenso wie die Konsumtion dem Produkt seinen finish als Produkt gab, gibt die Produktion den finish der Konsumtion. <624> Einmal ist der Gegenstand kein Gegenstand überhaupt, sondern ein bestimmter Gegenstand, der in einer bestimmten, durch die Produktion selbst wieder [zu] vermittelnden Art konsumiert werden muß. Hunger ist Hunger, aber Hunger, der sich durch gekochtes, mit Gabel und Messer gegeßnes Fleisch befriedigt, ist ein andrer Hunger, als der rohes Fleisch mit Hilfe von Hand, Nagel und Zahn verschlingt. Nicht nur der Gegenstand der Konsumtion, sondern auch die Weise der Konsumtion wird daher durch die Produktion produziert, nicht nur objektiv, sondern auch subjektiv. Die Produktion schafft also den Konsumenten.

3. Die Produktion liefert dem Bedürfnis nicht nur ein Material, sondern sie liefert dem Material auch ein Bedürfnis. Wenn die Konsumtion aus ihrer ersten Naturroheit und Unmittelbarkeit heraustritt - und das Verweilen in derselben wäre selbst noch das Resultat einer in der Naturroheit steckenden Produktion -, so ist sie selbst als Trieb vermittelt durch den Gegenstand. Das Bedürfnis, das sie nach ihm fühlt, ist durch die Wahrnehmung desselben geschaffen. Der Kunstgegenstand - ebenso jedes andre Produkt - schafft ein kunstsinniges und schönheitsgenußfähiges Publikum. Die Produktion produziert daher nicht nur einen Gegenstand für das Subjekt, sondern auch ein Subjekt für den Gegenstand.

Die Produktion produziert die Konsumtion daher, 1. indem sie ihr das Material schafft; 2. indem sie die Weise der Konsumtion bestimmt; 3. indem sie die erst von ihr als Gegenstand gesetzten Produkte als Bedürfnis im Konsumenten erzeugt. Sie produziert daher Gegenstand der Konsumtion, Weise der Konsumtion, Trieb der Konsumtion. Ebenso produziert die Konsumtion die Anlage des Produzenten, indem sie ihn als zweckbestimmendes Bedürfnis sollizitiert.

Die Identitäten zwischen Konsumtion und Produktion erscheinen also dreifach;

1. Unmittelbare Identität: Die Produktion ist Konsumtion; die Konsumtion ist Produktion. Konsumtive Produktion. Produktive Konsumtion. Die Nationalökonomen nennen beides produktive Konsumtion. Machen aber noch einen Unterschied. Die erste figuriert als Reproduktion; die zweite als produktive Konsumtion. Alle Untersuchungen über die erste sind die über produktive oder unproduktive Arbeit; die über die zweite über produktive oder nichtproduktive Konsumtion.

2. Daß jede als Mittel der andren erscheint; von ihr vermittelt wird; was als ihre wechselseitige Abhängigkeit ausgedrückt wird; eine Bewegung, wodurch sie aufeinander bezogen werden und sich wechselseitig unentbehrlich erscheinen, aber sich doch noch äußerlich bleiben. Die Produktion <625> schafft das Material als äußerlichen Gegenstand für die Konsumtion; die Konsumtion schafft das Bedürfnis als innern Gegenstand, als Zweck für die Produktion. Ohne Produktion keine Konsumtion; ohne Konsumtion keine Produktion. Figuriert in der Ökonomie in vielen Formen.

3. Die Produktion ist nicht nur unmittelbar Konsumtion, und die Konsumtion unmittelbar Produktion; noch ist die Produktion nur Mittel für die Konsumtion und die Konsumtion Zweck für die Produktion, d.h., daß jede der andren ihren Gegenstand liefert, die Produktion äußerlichen der Konsumtion, die Konsumtion vorgestellten der Produktion; sondern jede derselben ist nicht nur unmittelbar die andre, noch die andre nur vermittelnd, sondern jede der beiden schafft, indem sie sich vollzieht, die andre; sich als die andre. Die Konsumtion vollzieht erst den Akt der Produktion, indem sie das Produkt als Produkt vollendet, indem sie es auflöst, die selbständig sachliche Form an ihm verzehrt; indem sie die in dem ersten Akt der Produktion entwickelte Anlage durch das Bedürfnis der Wiederholung zur Fertigkeit steigert; sie ist also nicht nur der abschließende Akt, wodurch das Produkt Produkt, sondern auch, wodurch der Produzent Produzent wird. Andrerseits produziert die Produktion die Konsumtion, indem sie die bestimmte Weise der Konsumtion schafft, und dann, indem sie den Reiz der Konsumtion, die Konsumtionsfähigkeit selbst schafft als Bedürfnis. Diese letztre unter 3. bestimmte Identität in der Ökonomie vielfach erläutert in dem Verhältnis von Nachfrage und Zufuhr, von Gegenständen und Bedürfnissen, von durch die Sozietät geschaffnen und natürlichen Bedürfnissen.

Hiernach für einen Hegelianer nichts einfacher, als Produktion und Konsumtion identisch zu setzen. Und das ist geschehn nicht nur von sozialistischen Belletristen, sondern von prosaischen Ökonomen selbst, z.B. Say, in der Form, daß wenn man ein Volk betrachte, seine Produktion seine Konsumtion sei. Oder auch die Menschheit in abstracto. Storch hat dem Say das Falsche nachgewiesen, indem ein Volk z.B. nicht rein sein Produkt konsumiert, sondern auch Produktionsmittel schafft etc., fixes Kapital etc. Die Gesellschaft als ein einziges Subjekt betrachten, ist, sie überdem falsch betrachten - spekulativ. Bei einem Subjekt erscheinen Produktion und Konsumtion als Momente eines Akts. Das Wichtigste ist hier nur hervorgehoben, daß, betrachte man Produktion und Konsumtion als Tätigkeiten eines Subjekts oder einzelner Individuen, sie jedenfalls als Momente eines Prozesses erscheinen, worin die Produktion der wirkliche Ausgangspunkt und darum auch das übergreifende Moment ist. Die Konsumtion als Notdurft, als Bedürfnis ist selbst ein innres Moment der produktiven Tätigkeit. <626> Aber die letztre ist der Ausgangspunkt der Realisierung und daher auch ihr übergreifendes Moment, der Akt, worin der ganze Prozeß sich wieder verläuft. Das Individuum produziert einen Gegenstand und kehrt durch dessen Konsumtion wieder in sich zurück, aber als produktives Individuum, und sich selbst reproduzierendes. Die Konsumtion erscheint so als Moment der Produktion.

In der Gesellschaft aber ist die Beziehung des Produzenten auf das Produkt, sobald es fertig ist, eine äußerliche <In der Handschrift: ein äußerliches> und die Rückkehr desselben zu dem Subjekt hängt ab von seinen Beziehungen zu andren Individuen. Es wird desselben nicht unmittelbar habhaft. Auch ist die unmittelbare Aneignung desselben nicht sein Zweck, wenn es in der Gesellschaft produziert. Zwischen den Produzenten und die Produkte tritt die Distribution, die durch gesellschaftliche Gesetze seinen Anteil an der Welt der Produkte bestimmt, also zwischen die Produktion und Konsumtion tritt.

Steht nun die Distribution als selbständige Sphäre neben und außerhalb der Produktion?

b) [Produktion und Distribution]

Wenn man die gewöhnlichen Ökonomien betrachtet, muß zunächst auffallen, daß alles in ihnen doppelt gesetzt wird. Z.B. in der Distribution figurieren Grundrente, Arbeitslohn, Zins und Profit, während in der Produktion Erde, Arbeit, Kapital figurieren als Agenten der Produktion. Mit dem Kapital nun ist von vornherein einleuchtend, daß es doppelt gesetzt ist, 1. als Produktionsagent; 2. als Einnahmequelle; als bestimmend bestimmte Distributionsform. Zins und Profit figurieren daher auch als solche in der Produktion, insofern sie Formen sind, in denen das Kapital sich vermehrt, anwächst, also Momente seiner Produktion selbst. Zins und Profit als Distributionsformen unterstellen das Kapital als Agenten der Produktion. Sie sind Distributionsweisen, die zur Voraussetzung das Kapital als Produktionsagenten haben. Sie sind ebenso Reproduktionsweisen des Kapitals.

Arbeitslohn ist ebenso die unter einer andren Rubrik betrachtete Lohnarbeit: die Bestimmtheit, die die Arbeit hier als Produktionsagent hat, erscheint als Distributionsbestimmung. Wäre die Arbeit nicht als Lohnarbeit bestimmt, so erschiene die Art wie sie an den Produkten teilnimmt, nicht als Arbeitslohn, wie z.B. in der Sklaverei. Endlich die Grundrente, um gleich die entwickeltste Form der Distribution zu nehmen, worin das <627> Grundeigentum an den Produkten teilnimmt, unterstellt das große Grundeigentum (eigentlich die große Agrikultur) als Produktionsagenten, nicht die Erde schlechthin, so wenig wie das Salär die Arbeit schlechthin. Die Distributionsverhältnisse und -weisen erscheinen daher nur als Kehrseite der Produktionsagenten. Ein Individuum, das in der Form der Lohnarbeit an der Produktion teilnimmt, nimmt in der Form des Arbeitslohns an den Produkten, den Resultaten der Produktion teil. Die Gliederung der Distribution ist vollständig bestimmt durch die Gliederung der Produktion. Die Distribution ist selbst ein Produkt der Produktion, nicht nur dem Gegenstand nach, daß nur die Resultate der Produktion distribuiert werden können, sondern auch der Form nach, daß die bestimmte Art der Teilnahme an der Produktion die besondren Formen der Distribution, die Form, worin an der Distribution teilgenommen wird, bestimmt. Es ist durchaus eine Illusion, in der Produktion Erde, in der Distribution Grundrente zu setzen etc.

Ökonomen wie Ricardo, denen am meisten vorgeworfen wird, sie hätten nur die Produktion im Auge, haben daher ausschließlich die Distribution als Gegenstand der Ökonomie bestimmt, weil sie instinktiv die Distributionsformen als den bestimmtesten Ausdruck faßten, worin die Produktionsagenten in einer gegebnen Gesellschaft sich fixieren.

Dem einzelnen Individuum gegenüber erscheint natürlich die Distribution als ein gesellschaftliches Gesetz, das seine Stellung innerhalb der Produktion bedingt, innerhalb deren es produziert, die also der Produktion vorausgeht. Das Individuum hat von Haus aus kein Kapital, kein Grundeigentum. Es ist von Geburt auf die Lohnarbeit angewiesen durch die gesellschaftliche Distribution. Aber dies Angewiesensein selbst ist das Resultat [dessen], daß Kapital, Grundeigentum als selbständige Produktionsagenten existieren.

Ganze Gesellschaften betrachtet, scheint die Distribution nach noch einer Seite hin der Produktion vorherzugehn und sie zu bestimmen; gleichsam als anteökonomisches fact <vorökonomische Tatsache>. Ein eroberndes Volk verteilt das Land unter die Eroberer und imponiert so eine bestimmte Verteilung und Form des Grundeigentums: bestimmt daher die Produktion. Oder es macht die Eroberten zu Sklaven und macht so Sklavenarbeit zur Grundlage der Produktion. Oder ein Volk, durch Revolution, zerschlägt daß große Grundeigentum in Parzellen; gibt also durch diese neue Distribution der Produktion einen neuen Charakter. Oder die Gesetzgebung verteilt das Grundeigentum in gewissen Familien, oder verteilt die Arbeit [als] erbliches Privileg <628> und fixiert sie so kastenmäßig. In allen diesen Fällen, und sie sind alle historisch, scheint die Distribution nicht durch die Produktion, sondern umgekehrt die Produktion durch die Distribution gegliedert und bestimmt.

Die Distribution in der flachsten Auffassung erscheint als Distribution der Produkte, und so weiter entfernt von und quasi selbständig gegen die Produktion. Aber ehe die Distribution Distribution der Produkte ist, ist sie: 1. Distribution der Produktionsinstrumente, und 2., was eine weitere Bestimmung desselben Verhältnisses ist, Distribution der Mitglieder der Gesellschaft unter die verschiednen Arten der Produktion. (Subsumtion der Individuen unter bestimmte Produktionsverhältnisse.) Die Distribution der Produkte ist offenbar nur Resultat dieser Distribution, die innerhalb des Produktionsprozesses selbst einbegriffen ist und die Gliederung der Produktion bestimmt. Die Produktion abgesehn von dieser in ihr eingeschloßnen Distribution betrachten, ist offenbar leere Abstraktion, während umgekehrt die Distribution der Produkte von selbst gegeben ist mit dieser ursprünglich ein Moment der Produktion bildenden Distribution. Ricardo, dem es darum zu tun war, die moderne Produktion in ihrer bestimmten sozialen Gliederung aufzufassen, und der der Ökonom der Produktion par excellence ist, erklärt eben deswegen nicht die Produktion, sondern die Distribution für das eigentliche Thema der modernen Ökonomie. Es folgt hier wieder die Abgeschmacktheit der Ökonomen, die die Produktion als ewige Wahrheit entwickeln, während sie die Geschichte in den Bereich der Distribution bannen.

Welches Verhältnis diese die Produktion selbst bestimmende Distribution zu ihr einnimmt, ist offenbar eine Frage, die innerhalb der Produktion selbst fällt. Sollte gesagt werden, daß dann wenigstens, da die Produktion von einer gewissen Distribution der Produktionsinstrumente ausgehn muß, die Distribution in dieser Bedeutung der Produktion vorhergeht, ihre Voraussetzung bildet, so ist darauf zu antworten, daß die Produktion in der Tat ihre Bedingungen und Voraussetzungen hat, die Momente derselben bilden. Diese mögen im ersten Beginn als naturwüchsig erscheinen. Durch den Prozeß der Produktion selbst werden sie aus naturwüchsigen in geschichtliche verwandelt, und wenn sie für eine Periode als natürliche Voraussetzung der Produktion erscheinen, waren sie für eine andre ihr geschichtliches Resultat. Innerhalb der Produktion selbst werden sie beständig verändert. Z.B. die Anwendung der Maschinerie veränderte die Distribution sowohl der Produktionsinstrumente als der Produkte. Das moderne große Grundeigentum selbst ist das Resultat sowohl des modernen Handels und der modernen Industrie, wie der Anwendung der letztern auf die Agrikultur.

<629> Die oben aufgeworfnen Fragen lösen sich alle in letzter Instanz dahin auf, wie allgemeingeschichtliche Verhältnisse in die Produktion hineinspielen, und ihr Verhältnis zur geschichtlichen Bewegung überhaupt. Die Frage gehört offenbar in die Erörterung und Entwicklung der Produktion selbst.

Indes in der trivialen Form, worin sie oben aufgeworfen sind, können sie ebenso kurz abgefertigt werden. Bei allen Eroberungen ist dreierlei möglich. Das erobernde Volk unterwirft das eroberte seiner eignen Produktionsweise (z.B. die Engländer in Irland in diesem Jahrhundert, zum Teil in Indien); oder es läßt die alte bestehn und begnügt sich mit Tribut (z.B. Türken und Römer); oder es tritt eine Wechselwirkung ein, wodurch ein Neues entsteht, eine Synthese (zum Teil in den germanischen Eroberungen). In allen Fällen ist die Produktionsweise, sei es des erobernden Volks, sei es des eroberten, sei es die aus der Verschmelzung beider hervorgehende, bestimmend für die neue Distribution, die eintritt. Obgleich diese als Voraussetzung für die neue Produktionsperiode erscheint, ist sie so selbst wieder ein Produkt der Produktion, nicht nur der geschichtlichen im allgemeinen, sondern der bestimmten geschichtlichen Produktion.

Die Mongolen mit ihren Verwüstungen in Rußland z.B. handelten ihrer Produktion, der Viehweide gemäß, für die große, unbewohnte Strecken eine Hauptbedingung. Die germanischen Barbaren, für die Ackerbau mit Leibeignen hergebrachte Produktion war und isoliertes Leben auf dem Land, konnten die römischen Provinzen um so leichter diesen Bedingungen unterwerfen, als die dort stattgehabte Konzentration des Grundeigentums die älteren Agrikulturverhältnisse schon ganz umgeworfen hatte.

Es ist eine hergebrachte Vorstellung, daß in gewissen Perioden nur vom Raub gelebt ward. Um aber rauben zu können, muß etwas zu rauben da sein, also Produktion. Und die Art des Raubs ist selbst wieder durch die Art der Produktion bestimmt. Eine stockjobbing nation <Nation von Börsenspekulanten> z.B. kann nicht beraubt werden wie eine Nation von Kuhhirten.

In dem Sklaven wird das Produktionsinstrument direkt geraubt. Dann aber muß die Produktion des Landes, für das er geraubt wird, so gegliedert sein, um <In der Handschrift: als> Sklavenarbeit zuzulassen, oder (wie in Südamerika etc.) es muß eine dem Sklaven entsprechende Produktionsweise geschaffen werden.

Gesetze können ein Produktionsinstrument, z.B. Land, in gewissen Familien verewigen. Diese Gesetze bekommen nur ökonomische Bedeutung, wenn das große Grundeigentum in Harmonie mit der gesellschaftlichen <630> Produktion ist, wie z.B. in England. In Frankreich wurde kleine Agrikultur getrieben trotz des großen Grundeigentums, letztres daher auch von der Revolution zerschlagen. Aber die Verewigung der Parzellierung z.B. durch Gesetze? Trotz dieser Gesetze konzentriert sich das Eigentum wieder. Der Einfluß der Gesetze zur Festhaltung von Distributionsverhältnissen, und dadurch ihre Einwirkung auf die Produktion, sind besonders zu bestimmen.

c) Austausch endlich und Zirkulation

Die Zirkulation selbst nur ein bestimmtes Moment des Austauschs oder auch der Austausch in seiner Totalität betrachtet.

Insofern der Austausch nur ein vermittelndes Moment zwischen der Produktion und der durch sie bestimmten Distribution mit der Konsumtion ist; insofern letztre aber selbst als ein Moment der Produktion erscheint, ist der Austausch offenbar auch in letztre einbegriffen als Moment.

Es ist erstens klar, daß der Austausch von Tätigkeiten und Fähigkeiten, der in der Produktion selbst geschieht, direkt zu ihr gehört und sie wesentlich ausmacht. Dasselbe gilt zweitens vom Austausch der Produkte, soweit er zur Herstellung des fertigen, für die unmittelbare Konsumtion bestimmten Produkts Mittel ist. Soweit ist der Austausch selbst in der Produktion einbegriffner Akt. Drittens, der sogenannte Exchange <Austausch> zwischen dealers <Geschäftsleuten> und dealers ist sowohl seiner Organisation nach ganz durch die Produktion bestimmt, als selbst produzierende Tätigkeit. Der Austausch erscheint nur unabhängig neben, indifferent gegen die Produktion in dem letzten Stadium, wo das Produkt unmittelbar für die Konsumtion ausgetauscht wird. Aber 1. kein Austausch ohne Teilung der Arbeit, sei diese nun naturwüchsig oder selbst schon geschichtliches Resultat; 2. Privataustausch setzt Privatproduktion voraus; 3. die Intensität des Austauschs, wie seine Extension, wie seine Art, durch die Entwicklung und Gliederung der Produktion bestimmt. Z.B. Austausch zwischen Stadt und Land, Austausch auf dem Land, in der Stadt etc. Der Austausch erscheint so in allen seinen Momenten in der Produktion entweder direkt einbegriffen oder durch sie bestimmt.

Das Resultat, wozu wir gelangen, ist nicht, daß Produktion, Distribution, Austausch Konsumtion identisch sind, sondern daß sie alle Glieder einer Totalität bilden, Unterschiede innerhalb einer Einheit. Die Produktion greift über, sowohl über sich in der gegensätzlichen Bestimmung der Produktion als über die andren Momente. Von ihr beginnt der Prozeß immer <631> wieder von neuem. Daß Austausch und Konsumtion nicht das Übergreifende sein können, ist von selbst klar. Ebenso von der Distribution als Distribution der Produkte. Als Distribution der Produktionsagenten aber ist sie selbst ein Moment der Produktion. Eine bestimmte Produktion bestimmt also bestimmte Konsumtion, Distribution, Austausch, die bestimmten Verhältnisse dieser verschiednen Momente zueinander. Allerdings wird auch die Produktion, in ihrer einseitigen Form, ihrerseits bestimmt durch die andren Momente. Z.B. wenn der Markt sich ausdehnt, d.h. die Sphäre des Austauschs, wächst die Produktion dem Umfang nach und teilt sich tiefer ab. Mit Veränderung der Distribution ändert sich die Produktion; z.B. mit Konzentration des Kapitals, verschiedner Distribution der Bevölkerung in Stadt und Land etc. Endlich bestimmen die Konsumtionsbedürfnisse die Produktion. Es findet Wechselwirkung zwischen den verschiednen Momenten statt. Dies der Fall bei jedem organischen Ganzen.

 

Karl Marx - Einleitung zur Kritik der Politischen Oekonomie